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Die letzte BVV in Wilmersdorf
Zu spät, völlig durchgefroren von der Aktion zum heutigen Equal Pay Day und schon den ganzen Tag kreisläufig angeschlagen kam ich im Rathaus Wilmersdorf an. Ob die Einwohnerfragenstellerinnen und -steller diesmal ans Mikrofon traten, weiß ich also nicht und muss die Antworten in jedem Fall auf den Seiten des Bezirks suchen.
Auch heute zeigte sich wieder, dass der Wahlkampf für einige Verordnete bereits begonnen hat, was zwischendurch schon mal für launige Schlagabtäusche sorgte, aber insgesamt doch recht nervig ist. Einige Leute, mit denen man sich sonst, auch im Ausschuss, ganz vernünftig unterhalten kann, hinterlassen vor Publikum doch einen etwas anderen Eindruck.
Depremierend wurde es auch wieder, als das Dauerthema „kein Geld, kein Personal“ aufkam. Dabei ging es unter anderem um die Privatisierung der Wochenmärkte, die Stadtteilmütter (die jetzt anders heißen, „weil der neue Träger es so will“ und die keine Ausbildung mehr erhalten) und um die überlangen Wartezeiten bei der Antragsbearbeitung durch die Elterngeldstelle. Warum dann SPD und CDU meinen Antrag, dass Charlottenburg-Wilmersdorf dem Bündnis „Vermögenssteuer jetzt“ beitreten soll, ablehnten, verstehe ich überhaupt nicht. Die Einnahmen aus dieser Steuer würden zwar nicht direkt in der Bezirkskasse landen, aber indirekt gewiss auch den Kommunen zugute kommen. Völlig unverständlich fand ich die Begründung von Herrn Tillinger (zurzeit SPD), dass ja schon mehrere Bundesländer hier eine Initiative im Bundesrat hätten und daher weder Demonstrationen noch sonstige Maßnahmen nötig wären. ????
Weniger um Geld als um Rechtsfragen ging es dabei, dass ALNATURA für den Laden an der Stelle, wo früher das Kino „Die Kurbel“ war, bei der Erteilung der Genehmigung nicht so ganz richtige Angaben gemacht hat und nun ein Vielfaches an Verkehr auf die Umgebung zukommt, als vorgesehen. Als da um allerlei Paragrafen diskutiert wurde, fühlte ich mich einigermaßen überfordert und wünschte mir dringend eine Juristin an die Seite, gerne auch einen Juristen. Nicht, dass alle Bezirksverordneten sich mit solchen Dingen auskennen, aber zumindest ein Mensch pro Fraktion hat doch (hoffentlich) ausreichende Kenntnisse. Gut verstanden habe ich jedoch den Hinweis von Stadtrat Schulte, dass man ja vielleicht nicht bei ALNATURA einkaufen müsste / könnte / sollte …..
Während auf der Masurenallee die NPD eine Mahnwache angekündigt und möglicherweise auch abgehalten hatte, stand in der BVV unser Antrag zur Dokumentation rechtsextremistischer Gewalttaten auf der Tagesordnung. Merle von Wittich (Piraten) hielt dazu eine treffliche Rede, in der sie darauf hinwies, dass es in künftigen Fällen ausreichen sollte, den Begriff „rechts“ gar nicht zu erwähnen, denn wer sonst verübt rassistische, homophobe, gegen Menschen mit Behinderung oder geringem sozialen Status gerichtete und ähnliche Angriffe. Dann hätte die CDU auch keinerlei Bedenken mehr und müsste nicht reflexartig Anträge zu vermeintlich linksextremistischen Delikten stellen. Hier besann sich die CDU jedenfalls und unterstützte den Antrag, so dass er einstimmig beschlossen wurde.
Anschließend gab es eine in Teilen etwas hässliche Debatte zum „Gegen“antrag (zur Dokumentation linksextremistischer Straftaten). Es ist einfach widerlich, wenn beispielsweise brennende Autos verletzten oder getöteten Menschen gegenübergestellt werden. Holger Papst (Piraten) hat dazu so deutliche Worte gefunden, dass ich da gar nichts mehr ergänzen brauchte – und wenn ich mich richtig aufrege, ist es ohnehin meistens besser, nicht viel zu sagen ….
Und weil, wie gesagt, bei Manchen schon Wahlkampfstimmung herrscht, gab es noch ungewöhnlich lange Debatten zur möglichen Entlastung des Flughafens Tegel, einem Fahrradstreifen auf der Kantstraße und dem Runden Tisch „Drogen“. Die Hälfte der Zeit davon hätte mehr als ausgereicht und ich war heilfroh, als Frau Stückler die Sitzung schloss und ich anschließend noch ein paar Fragen zur Schlüsselübergabe beim Umzug, zwar nicht klären, aber wenigstens besprechen konnte.
Nun auch wir. Trotzdem Genderausschuss.
Das was in der Nacht zuvor dem Ökumenischen Zentrum WILMA 163 zugestoßen ist, traf nun auch die Geschäftsstelle der LINKEN. Als ich am Mittwoch um 14 Uhr die Tür öffnen wollte, ging der Schlüssel nicht ins Schloss. Auch bei uns hatten Unbekannte die Schlösser mit Spezialkleber unbenutzbar gemacht, nur rund 24 Stunden später. Es ist natürlich nicht erwiesen, aber der Verdacht, dass es mit dem im Schaufenster ausgelegten Plakat für die Veranstaltung mit Prof. Funke (-> siehe vorheriger Eintrag) in Zusammenhang stehen könnte, liegt nicht allzu fern.
Der Sachschaden ist vergleichsweise gering, nicht jedoch die Befürchtung, dass sich nun auch in unserer Gegend rechtes Gedankengut zu Taten steigert. Das darf nicht geschehen und wir müssen sehr aufmerksam sein und uns gegebenenfalls solchen Tendenzen gleich zu Beginn entgegen stellen.
Dennoch, am späten Nachmittag war der Ausschuss für Gender Mainstreaming angesetzt. Weil ich aber meine zahlreichen Gedanken nicht richtig sortiert hatte, fuhr ich erst einmal zum falschen Rathaus, anstatt die fünf Minuten zur Otto-Suhr-Allee zu laufen. Vielleicht lag meine Verplantheit auch noch an der erschreckenden Zeitungsmeldung, dass das Bezirksamt den Verkauf des Rathauses Wilmersdorf vorgesehen hat. Aber das ist ein anderes Thema.
Bei Gender Mainstreaming nahm das Thema „Frauen und Sport“ viel Raum ein. Leider zu Recht und immer noch. Einige der Fragen kenne ich seit über zehn Jahren, als es bei Lehrgängen des Landes- und Bundessportbunds schon darum ging, warum wohl so wenige Frauen in Vereinen aktiv würden. Antworten gibt es seither und immer wieder reichlich, alleine, es fehlt nach wie vor vielerorts an der Umsetzung.
Ein abschreckendes Beispiel dafür, wie es nicht geht, hatten wir doch erst am Freitag zuvor in der nagelneuen Eissporthalle gesehen: nur für die menschlichen Bedürfnisse von Männern ausgerichtete Umkleideräume. Unter solchen Umständen braucht niemand erstaunt fragen, wo denn die Eishockey- und Curling-Spielerinnen bleiben.
Weil Gender Mainstreaming eben doch etwas anderes ist als simple Frauenförderung, kritisierte Bürgermeister Naumann den offiziellen Text des Landes zum Girl’s und Boy’s Day, wie er in unserem Bezirk korrekterweise heißt. Dort wurden die Jungs im Titel einfach vergessen und nur mit einem kurzen Hinweis am Ende erwähnt. Auch dieser Sexismus ist unbedingt abzulehnen.
Unter anderem stellte noch Frau Rabe, unsere bezirkliche Gleichstellungsbeauftragte, die neue Broschüre Charlotte & Wilma über die Namensgeberinnen von Straßen im Bezirk vor. Für 3 €, die der klammen Bezirkskasse zu Gute kommen, ist sie im Rathaus Charlottenburg erhältlich.
Warum ich heute geschwänzt habe
Eigentlich war ja der Umwelt-Ausschuss vorgesehen. Allerdings kam am Nachmittag die Meldung von einem Angriff auf das Ökumenische Zentrum WILMA 163. Dort sollte am Abend ein Vortrag von Prof. Dr. Hajo Funke zum Thema „Rechtsradikalismus in Deutschland“ stattfinden. Zu dem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, was genau vorgefallen ist. Klar war jedenfalls, dass es hier galt, unseren Nachbarn – die WILMA liegt rund 100 m von unserer Geschäftsstelle entfernt – unsere Sympathie und Solidarität zu zeigen. Also gab ich die wenigen Informationen weiter, beantwortete mehrere Nachfragen, telefonierte herum und es war schon klar, dass ich zu spät ins Rathaus Wilmersdorf kommen würde. Gleichzeitig hätte ich mindestens eine halbe Stunde früher gehen müssen, um mit Sicherheit rechtzeitig bei der geplanten Veranstaltung der WILMA zu sein und dort – wäre es nötig gewesen – ein paar Worte als stellvertretende Bezirksvorsitzende zu sagen. Nur ziemlich kurz beim Ausschuss vorbeizuschauen, um mich in die Anwesenheitsliste einzutragen, erschien mir nicht redlich und weil ich ja sowieso nicht abstimmen darf, überließ ich die Sitzung den übrigen Kollegen.
Was war nun aber tatsächlich passiert?
In der Nacht vom 13. auf den 14.02. haben Unbekannte die Türschlösser des Ökumenischen Zentrums in der Wilmersdorfer Straße 163 mit speziellem Sekundenkleber, dessen Konsistenz Spezialisten bislang unbekannt war, verklebt. Handwerker des Schlüsseldienstes schafften es auch nach mehreren Stunden nicht, die Türen zu öffnen. Schließlich mussten die Schlösser herausgebrochen und durch neue ersetzt werden.
Diese Tat steht mit gewisser Wahrscheinlichkeit im Zusammenhang mit der für Dienstag abend angekündigten Diskussionsveranstaltung mit Prof. Dr. Hajo Funke zum Thema „Rechtsextremismus in Deutschland“. Auffällig ist, dass in den letzten Tagen ein Großteil der Plakate und Flyer der WILMA 163 zu dieser Veranstaltung im Bereich zwischen Otto-Suhr-Allee und der Fußgängerzone Wilmersdorfer Straße entfernt wurden, während daneben hängende zu einer anderen Veranstaltung in der kommenden Woche unberührt blieben.
Die gut besuchte Diskussion mit Prof. Funke fand wie geplant statt, davor und ungefähr bis zur Pause unter Polizeischutz. Wenn die Täter_innen gehofft hatten, diese zu verhindern, ist ihnen ihr Vorhaben gründlich misslungen.
Der Vorfall mag, im Vergleich zu anderen Taten aus dem rechtsextremen Spektrum geringfügig erscheinen. Für Charlottenburg ist er bislang außergewöhnlich und ein warnendes Zeichen dafür, dass es keine nazifreien „Oasen“ gibt. Auch in unserem Bezirk sind offensichtlich gewaltbereite Vertreter_innen Menschen verachtenden Gedankenguts unterwegs und es gilt wachsam zu sein, dass nicht bei anderer Gelegenheit womöglich größerer Schaden angerichtet wird.
Erklärung zum Brandanschlag in Berlin-Britz
Mit Entsetzen haben die Bezirksverordneten der LINKEN in der BVV Charlottenburg-Wilmersdorf, Marlene Cieschinger und Wolfgang Tillinger, vom neonazistischen Brandanschlag auf das Anton-Schmaus-Haus der Falken in Britz erfahren. Sie verurteilen diese abscheuliche und feige Tat, die auch noch ausgerechnet am Jahrestag der Pogromnacht ausgeführt wurde und erklären ihre Solidarität mit den Betroffenen .
Von den Koalitionsverhandlungen zwischen der SPD und der CDU erwartet DIE LINKE, wie auch der Berliner VVN-BdA, dass die entschlossene Bekämpfung des Neonazismus auch künftig Kernanliegen des Senats bleibt und Generalverdächtigungen von Antifaschist_innen durch „Extremismusklauseln“ unterbleiben.