Blog-Archive
Wünsche an den Haushalt und zur Umsetzung der UN-BRK
Da bin ich einmal so richtig pünktlich – und dann kommt der halbe Beirat zu spät. Seltsam. Auch Herr Naumann ist noch nicht da. Er hatte aber wohl Herrn Friedrich, den bezirklichen Behindertenbeauftragten, gebeten, mit Tagesordnungspunkt zur Haushaltsplanung auf ihn zu warten.
Da es noch anderes zu besprechen gibt, beginnen wir mit der gewünschten Ergänzung der Geschäftsordnung des Ausschusses. Danach soll der Behindertenbeauftragte stellvertretender Vorsitzender des Beirats werden. Vorsitzender ist übrigens der Bezirksbürgermeister.
Um beschlussfähig zu sein, müssten mindestens 8 stimmberechtigte Mitglieder des Beirats anwesend sein. Das sind in dem Fall die ausgesuchten Vertreter der Verbände und Organisationen. So viele sind leider nicht da und der Punkt muss vertagt werden.
Dann kommen diejenigen aktuellen Anträge zur Sprache, die vom Ältestenrat, wie es immer heißt, dem Behindertenbeirat zu Kenntnis weitergeleitet worden sind. Das sind zwei Anträge der Grünen: DS 1153/4 – „AnsprechpartnerIn für Inklusion im BUZ“ und DS 1154/4 – „Inklusionskommission an jede Schule“. Der Vertreter der Grünen ließ sich für die Sitzung entschuldigen und erstaunlicherweise hat sich in der ganzen großen Fraktion keine Vertretung gefunden. Von der SPD kommt DS 1117/4 – „Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention erweitern, Grünflächen: sicher-barrierefrei“, den Frau Pinkvoss-Müller erarbeitet hat. Auch sie kommt später und Frau Hansen erklärt die Anträge vertretungsweise.
Ich berichte, wie es zu unserem Antrag auf Barrierefreiheit im alten Krummebad (DS 1224/4 – „Endlich Barrierefreiheit in den Bädern des Bezirks“) gekommen ist. Das Thema ist ein Dauerbrenner und Herr Friedrich ergänzt Informationen aus früheren Wahlperioden. Ein Grund mehr, dass hier endlich etwas geschieht!
Während Herr Friedrich im Detail seine Anregungen zum Haupttagesordnungspunkt “Haushaltsplanung unter Berücksichtigung des Aktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK)“ beschreibt, kommt Herr Naumann.
Im bezirklichen Aktionsplan steht unter anderem: „Bei der Haushaltsplanung wird die Umsetzung der UN-BRK und nsbesondere der diesbezügliche Aktionsplan Charlottenburg-Wilmersdorf berücksichtigt“.
Ein Anliegen ist die Schulung und Sensibilisierung der Leute an den Volkshochschulen sowie inklusive Angebote. Weitere Punkte betreffen barrierefreies Bauen, wofür unbedingt eine Erhebung des Ist-Standes notwendig wäre. Ebenso wichtig wäre eine Person in der Verwaltung als Sachverständige für barrierefreies Bauen.
Es geht auch um barrierefreie Kommunikation (Leichte Sprache, Hörfassungen, Gebärdensprachvideos etc.) Die Broschüren Seniorenratgeber und „Charlottenburg-Wilmersdorf – ein Bezirk mit Zukunft“ gibt es auszugsweise als Hörfassung. Dafür wurden Stiftungsmittel aufgewendet. Es gibt wohl eine Verordnung, dass Informationen an zentralen Seiten des Bezirksamts auch in Gebärden- und Leichter Sprache angeboten werden müssen, wenn sie in Kraft tritt. (Welche das genau ist, müsste ich noch einmal nachfragen. 2015 wäre es doch langsam an der Zeit …..)
Herr Naumann spricht davon, dass ein gesetzlicher Auftrag besteht, dass es in Bezirken Gleichstellungs- und Behindertenbeauftragte gibt. Die sind für Bürger_innen zuständig. In der Verwaltung gibt es auch noch eine Beauftragte für Frauenfragen. Vergleichbares soll es auch für Menschen mit Behinderungen geben. Herr Naumann „fühlt sich an der Stelle noch nicht festgelegt“ und beschreibt die Schwierigkeit, in welchem Ressort die Stelle angesiedelt werden könnte. (Ich bin mir nicht sicher, ob er diese zusätzliche Stelle überhaupt haben möchte.) Ansonsten beschreibt er ausführlich den Zeitplan der Haushaltsberatungen. Er bittet darum, dass alle noch einmal nachdenken und ihre Anregungen und Wünsche bis September an Herrn Friedrich und die Bezirksverordneten (heute erwähnt er „alle in der BVV vertretenen Parteien“!) melden. Jetzt ist der Moment, in dem sich alle beteiligen sollen. Also bitte, nehmt euren Bürgermeister ernst und meldet euch!
Herr Friedrich weist auf Artikel 33 UN-BRK hin: innerstaatliche Umsetzung und Überwachung: Die Vertragsstaaten müssen auf allen föderalen Ebenen jeweils Zentrale Anlaufstellen/“Focal Points“ zur Umsetzung der UN-BRK haben (-> Behindertenpolitik im weiteren Sinn), einen Koordinierungsmechanismus (-> Anregungen, Öffentlichkeitsarbeit, Schnittstelle zur Öffentlichkeit) und einen Überwachungsmechanismus (NGOs, z. B. Deutsches Institut für Menschenrechte). Die Berliner Bezirke fehlen hier noch. Das Rechtsamt ist momentan einbezogen und prüft die Sache. Bis jetzt ist Herr Friedrich als einzelner im Grunde für alles irgendwie „zuständig“ und das kann es nicht sein.
Der Vertreter des VdK erkundigt sich nach dem Umsetzungsstand der UN-BRK im Bezirk und begrüßt Herrn Friedrichs Vorschläge.
Die Stellen des Behindertenbeauftragten und der „Focal Point“ müssten eng zusammenarbeiten. In anderen Bezirken berichten die einzelnen Fachverwaltungen vom Umsetzungsstand der jeweiligen Aktionspläne oder Vergleichbarem. Quartalsweise wird im Bezirksamt das Thema besprochen, wovon sich eher selten etwas herumspricht ……
Erneut bittet Herr Naumann, dass weitere Ideen, Anregungen etc. gerne Herrn Friedrich und – jetzt sagt er es wieder – „den Fraktionen“ mitgeteilt werden mögen. Natürlich freuen sich auch fraktionslose Verordnete über Post.
Verschiedenes:
* Ich frage, ob Herr Friedrich bei der aktuellen Neugestaltung des Spielplatzes im Österreich-Park einbezogen wurde/wird. Das ist nicht der Fall und ich bekomme umgehend eine Antragsidee.
* Frau Hansen fragt nach der Einbeziehung von Herrn Friedrich in die Flüchtlingsunterbringung im Bezirk. Zahlen Geflüchteter mit Behinderung sind in unserem Bezirk nicht bekannt, anderswo schon.
* Frau Pinkvoss-Müller bedankt sich bei Micha für die Unterstützung des VdK bei der Umgestaltung des Olivaer Platzes und der Forderung nach inklusiven Spielflächen. Sie bittet auch andere Verbände um entsprechende Wortmeldungen.
* Herr Friedrich berichtet von den beiden Stellenbörsen für Menschen mit Behinderungen, die letzte am vorigen Donnerstag. Die Veranstaltungen haben ihn sehr positiv überrascht. Es handelte sich dabei um ein Mikroprojekt und er würde eine Weiterführung begrüßen.
* Die nächste Sitzung findet am 15.06., 17 – 18:30 Uhr statt.
März-BVV (live)
Ich komme gerade als unser Herr Bürgermeister seine monatliche Ansprache hält. Dabei geht es erst einmal um den Haushalt, Dank an die Serviceeinheit Finanzen, Reisebericht und Städtepartnerschaften. Dann weist Herr Naumann auf den morgigen Equal Pay Day hin und auch auf den Internationalen Tag gegen Rassismus übermorgen. Dazu gibt es übrigens am Samstag von 11 bis 13 Uhr Aktionen vor dem Pangea-Haus.
Es gibt nur eine Einwohnerfrage, die direkt beantwortet wird und zwar zur Cornelsenwiese. Marc Schulte beantwortet. 1961 gab es dazu einen Vertrag und es handelt sich seiner Ansicht nach wohl nicht um eine gewidmete Grünanlage.
Drei weitere Tagesordnungspunkte sollen auf die Konsensliste, darunter unser Antrag zum Warmbaden im alten Krummebad.
Carolina Böhm wird als Bezirksverordnete verabschiedet. Ab März wird sie nämlich die neue – lang ersehnte – Gleichstellungsbeauftragte des Bezirks und hält gleich noch eine Rede, worin es insbesondere um ein Buch geht: Das Leben ist eine Karawanserei oder so ähnlich.
Ein Vertreter des Nachbarschaftshauses am Lietzensee stellt den Einwohnerantrag zum Erhalt des Stadtteilzentrums vor. Der Antrag wird in den „Sozial“ausschuss überwiesen.
Mündliche Anfragen:
* Herr Sell ärgert heute nicht Frau Jantzen, sondern widmet sich seinem anderen Lieblingsthema: „Verwahrlosung“ in Parks. Wir erfahren, dass Marc Schulte unlängst auf dem Weg zum Flughafen um vier Uhr früh noch ein paar vergessene Fahrräder bemerkt und dies sofort an sein Ordnungsamt gemeldet hatte. Sehr fleißig! Wegen einer stehengelassenen Erdbeerkiste soll es einen Reinigungsgipfel Stuttgarter Platz gegeben haben, wobei es auch um gebrauchte Spritzen gegangen sein soll. Und noch weitere Beispiele aus der Praxis.
* Herr Wittke fragt zum Projekt „Spandau inklusiv“. Das scheint so eine Art Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (BRK) in der Verwaltung zu sein. Herr Naumann predigtt und beschreibt unseren Aktionsplan. Er betont dabei den Punkt „Bewusstseinsbildung“. Ob ich ihn zitieren darf, wenn ich nachher nochmal zu unserem Witzleben-Antrag rede? Laut Herrn Wittke gibt es immer wieder Beschwerden von Menschen mit Benachteiligungen, insbesondere über die Behandlung im Bürgeramt. Frau König erwidert mit einer Beschreibung diverser Maßnahmen für Barrierefreiheit in den Ämtern. Allerdings hat Herr Wittke nicht die Technik kritisiert, sondern mangelndes Bewusstsein verschiedener Mitarbeiter_innen.
* Laut Herrn Engelmann endet die Nutzung der beschlagnahmten Turnhallen am 30.04. Jedesmal ein weiter verschobener Termin ….. Frau Dr. Vandrey meint sich damit wichtig tun zu müssen, indem sie meine Anfrage, die gleich dran kommt, vorweg nimmt. Herr Engelmann verweist auf eben diese Anfrage, die er gleich beantworten wird.
In der Eschenallee soll es ein zentrales Spendenlager geben. Laut Herrn Engelmann ist die Eschenallee erst eine Notunterkunft und parallel in den nächsten 6 Monaten eine Nutzungsänderung zu einer Sammelunterkunft beantragt. Den Antrag genehmigt SenStadt.
* Zu meiner Frage: Das Gesundheitsamt geht in die Hallen und sieht sich die Hygieneräume an. Das Trinkwasser wird konbtrolliert. Die Flüchtlingskinder werden auf ihren Impfstatus kontrolliert – im Rahmen der personellen Kapazitäten. Erwachsene sollen sich an den Hausarzt wenden. Kommt es zu Krankheiten, werden alle Personen ohne Impfschutz geimpft. Von ehrenamtlichen Angeboten zum Impfen weiß er nichts. Er weiß halt nicht alles und hat von den Details nur begrenzte Ahnung. Holger fragt zu den Kostenübernahmescheinen (siehe auch unser Antrag) für ärztliche Untersuchungen. Die Abteilung Gesundheit und Soziales hätte sich wohl an den Senat gewendet. Mit der zentralen Impfstelle wird es erst im August was. Prinzip Hoffnung ….. Na hoffentlich passiert da nichts.
* Ich ärgere mich über die wenig sagende Antwort und überhöre dabei die Antwort zu Frau Dittners Anfrage, in der es um Brandschutz im Heim am Kaiserdamm geht.
Frau Stückler gratuliert Herrn Hercygier zum Geburtstag.
Spontane Fragen:
* Herr Naumann weiß spontan nicht, wo wie und warum der Bezirk genau finanziell vergleichsweise gut dasteht.
* Weiter mit Finanzen: hier die SIWA-Mittel (Extra-Geld für die Bezirke aus Überschüssen des Landes). Das Bezirksamt hat sich mit ersten Überlegungen befasst.
* Die Ingeborg-Bachmann-Bibliothek war heute „wegen Personalmangel“ geschlossen. Laut Frau König ist es nicht unwahrscheinlich, dass auch in Zukunft mit solchen Schildern zu rechnen ist. Es gibt einfach zu wenig Stellen. Was für ein Armutszeugnis!
* Herr Engelmann wird Herrn Peikert vom Jobcenter über die Schließung der Computerien – ist schon länger, zwei Jahre?, her – informieren. Dort liegen immer noch Flyer aus.
* Frau Hansen fragt, warum nicht noch gute Möbel beim Umzug erhalten und statt dessen neu gekauft wurden. Im Keller steht da wohl noch reichlich Zeug umher. Nicht jedes Regal war noch in Ordnung, Schränke passten nicht, usw. Teile der alten Sachen werden als Reserve behalten.
* Es geht um Verkehrskonzepte im Mierendorffkiez und das Bezirksamt will Senator Geisel in Plänen, Teile des Bezirks an die Straßenbahn (?) anzubinden, unterstützen.
* Eine Frage zum Schölerschlösschen, die mir jetzt nicht so ganz „spontan“ erscheint. Es gibt wohl nichts Neues zu Lottomitteln und Plänen des Bezirksamts, sollte es kein Geld geben. Frau König verweist auf den Haushaltsausschuss.
* Zur Idee der Einführung von Tempo 60 auf der Stadtautobahn, sagt Marc Schulte, dass er davon nichts hält.
Dringlichkeitsanfrage der CDU: „Wenn Personal zur Chef-Sache wird“ (DS 1196/4). Diese soll schriftlich beantwortet werden und wird hier nur von Frau Klose begründet. Es geht dabei um schnellere Stellenbesetzungsverfahren.
– Pause –
Nun beantwortet Elfi Jantzen die Große Anfrage zur Jugendberufsagentur (DS 1171/4) und weil das nicht mein Fachgebiet ist, kann ich nicht einschätzen, was davon zu halten ist. Gleichzeitig habe ich schon aufsteigende Panik wegen der beiden Anträge, zu denen ich nachher noch reden muss. Ob es anderen Verordneten eigentlich ähnlich geht? Und wenn ja, wie viele Jahre lang?
Frau Jantzen bedankt sich jedenfalls für neue Stellen, die sie bekommen hat. Debatte hauptsächlich der Leute, die im Schul- oder Jugendhilfeausschuss aktiv sind.
Zitat Frau Hansen: „Von Hamburg lernen, heißt siegen lernen“ ????
Große Anfrage der Grünen zum Zentralen Omnibusbahnhof (DS 1187/4). Herr Prejawa begründet. 479 Busse fahren da zurzeit täglich ab und die Planungen für die Zukkunft sind im Grunde schon jetzt veraltet. Dazu lag vorhin schon die Beantwortung der schriftlichen Anfrage von Andreas Baum aus dem Abgeordnetenhaus zum Fernbusverkehr-Konzept aus.
Laut Marc Schulte liegt noch kein Bauantrag vor. Eine Erweiterung der ZOB-Fläche auf Straßenland wäre eventuell denkbar. An sich ist das Thema aber Ländersache und der Bezirk hat nur wenig Mitsprachemöglichkeit. Über den ZOB-Beirat wird er es jedoch versuchen.
Nachfrage von Herrn Fenske: Wem gehört die WC-Anlage am ZOB und wer bekommt die Einnahmen bzw. bekommt der Bezirk etwas? Er beantwortet gleich selbst, dass die Sache der Wall AG gehört und dass diese im Monat so an die 4000 Euro damit erwirtschaftet. Aha, wieder was gelernt …..
[Herr Naumann verteilt nebenbei höchstpersönlich an alle Verordneten die Flyer zum Equal Pay Day. Und in einer Extra-Runde noch die roten Einkaufsbeutel. So wirklich respektvoll der BVV gegenüber finde ich das mitten in der Sitzung nicht.]
Nun führt Herr Prejawa seine vorhin aus Zeitgründen unterbrochene Rede zu Ende und kritisiert die Umbaupläne als nicht zukunftsfähig. Am 26./26.06. wird ein Workshop eines Architekturbüros, das dem Times Square umgestaltet hat, „mit den Fraktionen“ zur Kreuzung zwischen ICC, Messegelände und ZOB stattfinden. Mal schauen, ob ich da eingeladen werde.
Herr Dr. Murach lobt unter anderem den Bahnverkehr in England (!) als vorbildlich. Nachdem er davor viel Historisches, im Ton als wäre er selbst dabei gewesen, berichtet hat, scheint er sich bei der Aussage im Jahrhundert vertan zu haben.
Herr Matern schreibt Marc Schulte „Spätsozialismus“ zu. Sozialismus? Herr Wapler hält den ZOB für unwirtlich, wenn man um 1/2 11 Uhr dort ankommt. Warum nur um 1/2 11?
Witzleben-Antrag: Holger begründet. Herr Dr. Murach hält den Vortrag von letztlich zur preußischen Geschichte, der davon nicht richtiger wird und Kraut, Rüben und anderes Gemüse ebenso wie verschiedene Mitglieder der Familie derer von Witzleben durcheinander bringt. Er begründet gleich noch, warum wir die Bismarckstraße nicht umbenennen sollen. Du lieber Himmel! Jenny Wieland gibt das Gerücht vom an die Bürger geschenkten Gut Witzleben wider. Nein, er hat das Geld dafür vom König bekommen und seine Erben haben das Gut nach seinem Tod umgehend verscherbelt. Nebenbei verbreitet sie auch die Legende, die Piraten hätten sich noch nie um Frauenangelegenheiten gekümmert. Sigi verliest Merles Rede (sie ist beruflich in Wiesbaden).
Ich weise auf die teilweise absurde Stellungnahme der Senatsverwaltung hin und frage nach dem Sinn von Beiräten, wenn deren Votum so einfach beiseite gewischt wird. Währenddessen blinkt die ganze Zeit die Anzeige „Redezeit zu Ende“ und irritiert mich.
An der Stelle hätten allerdings selbst die größten Rednerinnen oder Redner der Menschheitsgeschichte keine Chance gehabt. Erwartungsgemäß ignorieren die großen Fraktionen weiterhin das Votum des Beirats von und für Menschen mit Behinderungen sowie all die Argumente, die für Margareteh von Witzleben sprechen. Schade! Der Bezirk hätte sich mit der Umwidmung einen großen Gefallen getan und sich als fortschrittlich sowie den eigenen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-BRK ernstnehmend gezeigt.
Antrag der CDU zu Parkverboten an der Berliner Straße (DS 1140/4): verkehrte Welt: die CDU stellt sich gegen Parkplätze, die Grünen verteidigen sie. Ich kenne die Ecke zu wenig – und aus Autofahrerinnensicht schon gar nicht. Enthaltung ist also angesagt.
Und noch ein Antrag der CDU „Nutzungsverbot der Unterstreifen durch Außengastronomie sofort aufheben“ (DS 1169/4). Dabei geht es darum, ob auf Gehsteigen am Rand zur Straße hin Tische, Stühle oder sonstwas stehen darf. Dazu gab/gibt es Ausnahmen, die nun verschwinden sollen. Eigentlich schade, aber Marc Schulte gibt die Erfahrung wieder, dass die bislang freien Streifen in der Mitte der Gehsteige dazu tendieren, gewissermaßen nach und nach „zuzuwachsen“, wenn auf beiden Seiten Sachen stehen. Irgendwann wird es für Menschen mit Kinderwägen oder Einschränkungen echt schwierig, durchzukommen. Das ist ein Argument.
So, jetzt unser TTIP-Antrag, das heißt der Antrag nach dem sich Charlottenburg-Wilmersdorf gegen die geplanten internationalen Freihandelsabkommen TTIP, CETA und TiSA aussprechen soll. Immerhin sind darin auch mögliche Gefahren für die bezirkliche Selbständigkeit enthalten. Ich begründe kurz und dann passiert: nichts. Gar nichts, kein Redebeitrag, Reaktionslosigkeit. Während wir einen Augenblick lang von dieser völlig unerwarteten Situation überfahren sind, ruft Frau Stückler zur Abstimmung und wir haben keine Chance, unsere gut vorbereiteten Argumente vorzutragen. Mit den vereinten Stimmen von CDU und SPD wird der Antrag kommentarlos begraben. Und ich muss mich erst einmal sammeln ….
Beim Gesundheitsamt oder Was ist krank?
Das Gesundheitsamt, in dem sich der Beirat von und für Menschen mit Behinderungen heute traf, befindet sich im Verwaltungsgebäude hinter dem Rathaus Wilmersdorf. Bisher hatte ich das Glück, dort noch nicht gewesen zu sein und kannte nur die Kommunale Galerie im Erdgeschoss. Wer gerade schlechter Stimmung ist, Probleme hat oder sich sonstwie nicht wohl fühlt, wird spätestens auf der Suche nach dem richtigen Raum zu einem Fall für eine der Beratungsstellen, womöglich gleich für den Sozialpsychiatrischen Dienst. Diese schmalen, gebogenen, langen Gänge erinnerten mich doch sehr an das launige Büchlein „Trauerflora“ von Paul Flora, in dem drei Totengräber auf allerlei findige Weisen Kundschaft „gewinnen“.
Im endlich gefundenen Sitzungssaal beendete gerade eine Dame von der „Beratungsstelle für behinderte, pflegebedürftige, krebskranke und aidskranke Menschen“ die Vorstellung ihrer Tätigkeiten und danach präsentierte sich der Sozialpsychiatrische Dienst. Letzterer kann auf eine gruselige Geschichte zurückblicken, war doch sein Vorläufer u. a. ab 1934 recht willig am Euthanasieprogramm der Nazis beteiligt. Ich möchte den zurzeit dort tätigen Sozialarbeiter_innen und Ärzt_innen gewiss nicht ihre guten Absichten und ihren hingebungsvollen Einsatz absprechen. Angesichts der Tatsache, dass dieser Dienst auch jedem anonymen Hinweis nachgeht und einen „Dokumentationswahn“ (so nannte es die Dame vom Amt) pflegt, bin ich ihm gegenüber weiterhin eher skeptisch. Sollten sich jemals, wogegen wir uns natürlich jederzeit einsetzen werden, die politischen Verhältnisse wieder entsprechend ändern, böte das Archiv des Dienstes eine riesige Fundgrube für möglicherweise zu Verfolgende. Da auch Jobcenter und Sozialamt gelegentlich Menschen zum Sozialpsychiatrischen Dienst schicken, möchte ich gar nicht überlegen, wie leicht jemand in die „Kundenkartei“ geraten kann.
Auf dem Informationsblättchen des Sozialpsychiatrischen Dienstes steht auch, dass er für „Menschen in schweren Krisen“ da wäre. Wie sieht da die Definition aus? Landet eine Person, die gerade einen geliebten Menschen verloren hat und Rat sucht, für Jahre in der Kartei? Erst vor ein paar Wochen habe ich von den Veränderungen in der neuen DSM-5 (dem offiziellen US-amerikanischen Psychiatriehandbuch) gelesen, worin beispielsweise tiefe Trauer bereits nach zwei Wochen als Depression, und damit Krankheit, bewertet wird. Dieses Buch beeinflusst früher oder später auch das Krankheitenklassifizierungssystem der WHO (Weltgesundheitsorganisation): ICD-10, nach welchem sich laut Gesetz der Sozialpsychatrische Dienst orientiert. Auch darin steht unter den psychischen und Verhaltensstörungen so manches Fragwürdige und kleine, unterhaltsame Verschrobenheiten finden sich gleich neben schweren, auch für Dritte unter Umständen gefährlichen Störungen. Bis vor gut 20 Jahren stand auch so etwas Gewöhnliches und Harmloses wie Homosexualität in dieser Liste und inzwischen haben die skandinawischen Länder, zuletzt Finnland 2011, einzelne der F 60er Punkte aus ihren nationalen Listen wegen Irrelevanz gestrichen. Auf der anderen Seite erleben wir, wie immer mehr Dinge, die noch vor ein paar Jahren als nervig, lästig oder ungezogen galten nun Krankheiten heißen und mit schweren Medikamenten behandelt werden, zum Beispiel Hyperaktivität.
Damit möchte ich zu bedenken geben, dass es durchaus kulturell und zeitabhängig ist, wo die Trennungslinie zwischen Krankheit und Gesundheit, wenn es sie überhaupt gibt, verläuft und eine exakte Diagnose, insbesondere im geistigen und seelischen Bereich, nicht immer möglich ist. Es ist mir einfach unwohl dabei, zu wissen, dass Menschen hier offiziell eingeteilt werden und dies auch noch unter Umständen jahrelang in Akten festgehalten wird, selbst wenn es gut und hilfreich gemeint sein mag. Angesichts der Tatsache, dass der Sozialpsychiatrische Dienst seit 1990 die Hälfte der Stellen gestrichen bekommen hat und momentan nur 8 von 10 Stellen besetzt sind, geben die dort Tätigen gewiss ihr Bestes, haben aber infolge ihrer eigenen Belastung möglicherweise gar nicht immer die nötige Zeit, jeden Fall hinreichend ausführlich zu beurteilen – mit möglichen erheblichen Folgen für die einzelnen Betroffenen.