Kein gelungener Abend für Menschen mit Behinderungen
Verfasst von Marlene
Weil demnächst die Schulferien beginnen, an die sich im Sommer auch die BVV hält, wurde ihre Sitzung auf den 2. Donnerstag im Juni vorgezogen. Das hatte ich doch völlig verplant als ich vor ein paar Wochen für 16 Uhr für ein Treffen mit einem Vertreter der ILGA (International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association) Europe und Vertreter_innen der Queer-Organisationen verschiedener Parteien zusagte. Das fand nun auch noch in der Nähe des Ostbahnhofs statt, so dass ich 1 1/2 Stunden der BVV versäumte.
Ich kam aber gerade rechtzeitig zur gemeinsam geschriebenen Resolution aller Parteien „Menschenrechte sind unteilbar“, in der Flüchtlinge in unserem Bezirk begrüßt werden und die BVV alle mögliche Unterstützung anbietet. Warum diese als Antrag der SPD und Grünen auf der Tagesordnung stand, war ein wenig seltsam und nacheinander erklärten Holger Papst, ich und ein Vertreter der CDU (ich weiß nicht mehr, wer es war), dass sie die Sache als gemeinsame verstanden hatten und ihre Parteien also auch als Antragsstellende erscheinen wollten. Dafür gab es gleich eine kurze Unterbrechung der Sitzung.
Ebenfalls versäumte ich nicht die darauf folgende Diskussion und Abstimmung des Antrags zur Benennung eines Rabbiner-Schneerson-Platzes, der nun schon seit fast einem Jahr durch diverse Ausschüsse gewandert war. Die CDU als Antragsstellerin war dafür, die SPD bekanntermaßen dagegen, die Piraten geteilt und es hing also gewissermaßen an den Grünen, deren Mitglieder sich diesmal – was ich immer sehr begrüße – keinen Fraktionszwang auferlegen ließen. Einige wohlgesetzte Reden folgten aufeinander, wobei Herr Dr. Heise wieder besonders viel Pathos einbrachte und mich mit seinem Beitrag, wie zuletzt schon, sehr ärgerte. Ich habe dann noch einmal kurz auf das erhebliche Ungleichgewicht von Männer- und Frauennamen auf unseren Straßenschildern hingewisen sowie auf den Beschluss von 2001, der ja nicht je nach Wetterlage zur Disposition stehen dürfe (wozu fasst man sonst überhaupt Beschlüsse?) und dass ich auch bei jedem anderen verdienten Mann gegen eine Benennung wäre. Ein paar CDU-Kollegen wiesen mich im Vorbeigehen auf die Umbenennung der Rudi-Dutschke- und Silvio-Meier-Straße hin. In anderen Bezirken habe ich allerdings nichts mitzureden und hätte mich auch dort entsprechend verhalten. Herr Dr. Heise bzw. die CDU-Fraktion beantragte eine weitere Sitzungspause, in der vermutlich einige grüne Verordnete noch das eine oder andere Argument zu hören bekamen und es wurde eine namentliche Abstimmung durchgeführt. Am Ende fiel die Entscheidung mit 21 : 29 : 1 (Ja : Nein : Enthaltung) gegen die Benennung aus und danach gab es dann die richtige Pause. In dieser hörte ich im Vorbeigehen von Vertretern der Chabad Lubawitsch noch so etwas wie – sinngemäß – „Wir kommen wieder“ und ich kann mir nicht helfen: diese Art von Druck gefällt mir nicht.
In den Großen Anfragen ging es um den Preußenpark (Herr Sell muss in den letzen Monaten wiederholt durch jedes Gebüsch gestreift sein, um seine Fotodokumentation zu erstellen) und den Bibliothekenentwicklungsplan, wo sich Argumente für und wider einer Zentralbibliothek gegenüberstanden.
Dann endlich kam mein Antrag auf Unterstützung von kommunalpolitisch Aktiven, die persönliche Assistenz benötigen, dran. Kurz davor hatte mich Frau Hansen (SPD) schon in recht giftigem Ton gefragt, ob ich denn etwa noch dazu sprechen wollte. Das Thema wäre doch schon am Montag im Beirat von und für Menschen mit Behinderung zur Sprache gekommen. Selbstverständlich, denn ich wollte nichts unversucht lassen, doch noch Zustimmung für dieses Anliegen, das neben anderen sogar unser bezirklicher Behindertenbeauftragter für sinnvoll erachtete, zu gewinnen. Was allerdings lässt sich schon in zwei Minuten gegen eine Mischung aus Desinteresse und Fraktionszwang anreden? Ich habe es versucht und betont, dass es keine gesetzliche Regelung zur Finanzierung persönlicher Assistenz bei ehrenamtlichen Tätigkeiten gibt und die Betroffenen hier auf den Ermessensspielraum ihrer jeweilen Sachbearbeitenden angewiesen sind, sowohl wenn es sich um die konventionelle Abrechnung von Leistungen als auch bei der Festlegung des persönlichen Budgets geht. Das entspricht einfach nicht den Anforderungen der UN-Behindertenrechtskonvention. Leider war die Presse zu dem Zeitpunkt schon gegangen, so dass sie nicht mitbekam, wie Frau Hansen schon wieder den Antrag als unnütz und überflüssig darstellte, hier auch behauptete, dass im Beirat ganz klar gewesen wäre, dass solche Leistungen gesichert wären. Das stimmt absolut nicht – ich war doch dabei und habe mich sicherheitshalber danach noch einmal erkundigt!. Meine Redezeit war aber aufgebraucht und ich konnte nichts mehr erwidern. Auch Herr Kaas-Elias (Bündnis 90 / Die Grünen) fand den Antrag unnütz. Beide betonten, dass, wenn es notwendig wäre, sich die BVV um die Finanzierung der nötigen Assistenz für Verordnete, Bürgerdeputierte oder Beiratsmitglieder kümmern würde. Als Bestärkung von Personen, die auf Assistenz angewiesen sind, für ein Mandat o. ä. zu kandidieren, halte ich das nicht für ausreichend. Ein Beschluss in der Richtung hätte erheblich mehr Ausstrahlung gehabt. Der gute Beitrag von Holger Pabst, in dem er auf die überfällige Anwesenheit von mehr Menschen mit Behinderung in entscheidenden bezirklichen Gremien – nicht nur, praktisch abgeschoben, im Behindertenbeirat -, was tatsächliche Teilhabe bedeuten würde, hinwies, konnte leider ebensowenig die vereinte Abwehr durchbrechen. Bei einer Enthaltung stimmten nur fünf Bezirksverordnete (Piraten + DIE LINKE.) dafür. Der Rest der Versammlung erteilte der Sicherung kommunalpolitischer Mitwirkungsmöglichkeiten aller (!) Menschen, ob mit oder ohne Assistenzbedarf, eine Absage. Das ist kein ermutigendes Signal an die Menschen, die es betrifft und deren Beteiligung wir in der Gesellschaft, auch in unserem Bezirk, mit all ihren Erfahrungen unbedingt bräuchten.
In einem weiteren Antrag, der CDU, sollte sich das Bezirksamt für eine Verschiebung der Einschulung nach hinten einsetzen. Im Grunde halte ich das für eine richtige Idee, allerdings haben mich die „Profis“ im Bezirkselternausschuss Kita vorgestern davon überzeugt, dass eine erneute Schulreform aus ihrer Sicht nur weiteres Durcheinander verursacht, während inzwischen nach und nach die Zusammenarbeit zwischen Kitas und Schulen immer besser funktioniert, um auch jüngere Kinder in dieser für sie wichtigen Phase zu unterstützen. Ich denke, es ist notwendig, auf die zu hören, die Fachleute auf ihrem Gebiet sind und anschließend die Konsequenzen unserer Entscheidungen tragen bzw. umsetzen müssen, was ich auch – so ungefähr – gesagt habe. Der Antrag wurde abgelehnt.
Danach begann die, bestimmt nicht nur von mir, herbeigesehnte Sommerpause. Zumindest, was die BVV betrifft; ein paar Ausschuss- und Beiratstermine sind auch noch für die kommenden Tage angesetzt.
Veröffentlicht am 13. Juni 2013 in BVV-Sitzungen und mit Anträge, Barrierefreiheit, Straßennamen getaggt. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. Hinterlasse einen Kommentar.
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