Rabbiner-Schneerson-Platz zum Dritten

Mit ein paar Monaten Verspätung kam nun heute endlich der Antrag auf Benennung eines Teiles der Münsterschen Straße nach Rabbiner Schneerson auch auf die Tagesordnung des Tiefbau- und Grünflächen-Ausschusses.

Diesmal kamen weniger Gäste als am 23. Januar. Professor Brumlik gab eine kurze Zusammenfassung zum orthodoxen Judentum, Frau Professor Runge las wieder die Hagiografie von Rabbiner Schneerson vor. Es meldete sich Herr Tillinger (zurzeit SPD) gegen die Umbenennung zu Wort und zeigte sich dabei geradezu als Feminist mit einem Teil seiner Argumente. Einiges davon war sehr treffend, nicht alles jedoch glücklich vorgetragen. Rabbiner Teichtal hielt in der Folge eine „Predigt“ in, wie ich fand, ziemlich aggressivem Ton und betonte natürlich die Wichtigkeit von Rabbiner Schneerson für das Judentum, Berlin, die Welt und überhaupt.

Es folgte eine muntere Debatte, in der es auch um die Größe der zu benennenden Fläche ging. Dabei handelt es sich mehr oder weniger um ein Stück Gehsteig. Was mich dabei sehr aufhorchen ließ, war die von Befürwortenden wiederholt geäußerte Bemerkung, dies wäre ein Anfang. Steht hier in den Hinterköpfen einiger etwa bereits die gesamte Münstersche Straße zur Disposition? Da ich mich nicht gerne über den sprichwörtlichen Tisch ziehen lasse, bin ich in der Folge noch skeptischer geworden.
Was mir auch wenig Vertrauen gab, war die öftere Zitierung von Ehrungen für Rabbiner Schneerson durch beispielsweise Präsident Clinton und eine Empfehlung des US-Amerikanischen Botschafters. Moment, geht es hier nicht um Charlottenburg-Wilmersdorf?
Warum wurden übrigens die Fraktionen der BVV von Rabbiner Teichtal besucht, teilweise Verordnete (wenn ich das richtig verstanden habe) eingeladen und erhielten Bücher von oder über Rabbiner Schneerson? Wozu der Aufwand, wenn es sich hierbei um eine so eindeutig international bekannte, berühmte und verehrungswürdige Person handelt?

Frau Dr. Shapiro und Frau Dr. Elijaschewitsch meldeten sich und betonten die wichtige und gleichberechtigte Stellung der Frauen innerhalb der Chabad Lubawitsch. Von einer kritischen Äußerung Letzterer über den Fraktionszwang innerhalb der SPD fühlte sich insbesondere Frau Dr. Timper (SPD) beleidigt und beinahe wäre die Fraktion mitten in der Sitzung gegangen. So blieb es bei einer persönlichen Erklärung.

Es wurde zwar von verschiedenen Anwesenden immer wieder der Beschluss von 2001 zur Bennennung von Straßen nach Frauen erwähnt, aber fast ausschließlich mit dem Hinweis, dass hier eine Ausnahme angebracht wäre. Ich hatte eigentlich gar nicht vor, viel zu sagen und die Argumente vom Gender-Ausschuss zu wiederholen. Spätestens nach dem Beitrag des Ausschussvorsitzenden platzte mir jedoch der Kragen: Menschen, die in Berlin wohnen, müssten sich auch in der Symbolik im Stadtbild, z. B. in Straßennamen, wiederfinden. Ach ja? Und warum dann nicht auch Frauen, die rund 50% der Bevölkerung ausmachen? Auch nicht jüdische Frauen, von denen es zahlreiche hervorragende gibt und gab? In den anderthalb Jahren, die ich nun in der BVV bin, kamen ausschließlich Vorschläge von Männernamen, wenn es um Straßen, Brunnen oder sonstwas ging und immer wurde von Ausnahmen gesprochen! Wozu haben wir denn den Beschluss von 2001, wenn die darin genannten Ausnahmen zur Regel werden? Ich fürchte, ich bin an der Stelle ein bisschen laut geworden. Es kann doch aber nicht sein, dass dann wenn es entscheidend wird, jedes Mal die ohnehin wenigen Regeln für Geschlechtergerechtigkeit mit dem Hinweis auf eine Ausnahme ausgehebelt werden – nicht nur in der BVV. Ob es sich hierbei um den Dalai Lama, Mahatma Gandhi, Dr. Martin Luther-King, eine andere, allgemein als unumstritten angesehene Persönlichkeit oder eben um Rabbiner Schneerson handelte, wäre mir im vorliegenden Fall dabei völlig egal gewesen.

Erstmalig gab es bei einer Ausschusssitzung eine Pause. Die Abstimmung danach ging mit 7 * Ja – 6 * Nein – 2 * Enthaltung denkbar knapp aus. Hätten doch nur auch Fraktionslose eine Stimme im Ausschuss! Die BVV wird sich also in ihrer nächsten Sitzung noch einmal mit dem Thema befassen.
Beim Hinausgehen sprach mich noch kurz Frau Dr. Elijaschewitsch freundlich an und erklärte mir, dass es gerade in der Chabad Lubawitsch besonders starke Frauen gäbe. Das zweifle ich nicht an, aber hier geht es um eine Grundsatzfrage, die doch im Interesse aller Frauen gelöst werden muss, damit sie in Zukunft endlich angemessener auch „symbolisch“ sichtbar werden.

Anschließend stellte Herr Roeder, von dem ich zwar schon öfter was gelesen hatte, ihn aber heute erstmalig sah, sein Anliegen nach erweiterten Straßenerläuterungsschildern (die kleinen Tafeln, die beschreiben, um wen es sich beim Namen handelt) in der Seelingstraße vor. Dafür hätte bereits der Bund Deutscher Architekten 200 € für die Finanzierung zugesichert. Eine normale Tafel kostet 60 € und alle Anwesenden einschließlich Stadtrat Schulte waren mit der Herstellung von drei dieser Schilder einverstanden.

Der Rest der Tagesordnung wurde angesichts der fortgeschrittenen Zeit vertagt. So kam diesmal bemerkenswerterweise im Tiefbau- und Grünflächen-Ausschuss kein einziger Baum zur Sprache.

Danach traf sich im Sitzungsraum erstmalig der neue BVV-Chor, zu dem sich erfreulicherweise Vertreter_innen aus allen Parteien zusammengefunden haben.

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Veröffentlicht am 25. Mai 2013 in Ausschüsse und mit , , getaggt. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 2 Kommentare.

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